So sehr wir uns auch von einander
unterscheiden: als Frauen / Lesben mit und ohne Behinderung teilen wir
viele wesentliche Erfahrungen. Wir wenden viel Energie auf, um uns vor
Abwertungen so gut wie möglich zu schützen oder sie zu verarbeiten. Wir
riskieren, wenn wir unseren eigenen Weg gehen wollen, die Chance /
Illusion gesellschaftlicher Anerkennung. Und unser Weg hat oft so viele
Kurven und Tiefen, dass uns nicht selten flau im Magen wird.
Umso mehr
müssen wir lernen, immer öfter gut für uns zu sorgen - Gestaltarbeit
ist ein Weg und eine Einladung, das zu tun!
Wir leben in dieser Gesellschaft mit Normen, Werten und
(Macht-)Strukturen, die es uns als Frauen schwer machen, ein stabiles,
selbstverständliches Gefühl für unsere Wahrnehmung, unsere Kraft,
unsere Lebendigkeit, unsere Fähigkeiten, unser "Richtigsein" in der
Welt zu entwickeln und zu nähren.
In unserem Fühlen, Denken und Handeln, in unseren
Sehnsüchten und im Erleben unserer Körperlichkeit findet sich wieder,
was wir als Mädchen, Frauen, Lesben erfahren haben. Da ist sicher viel
Schönes - aber auch viel Schmerzhaftes.
Und auch wenn wir in uns so manchen Schatz, so manche Hilfsmittel und
Zaubertricks entdecken konnten und damit durchs Leben kommen: Wir haben
oft viel Unverdauliches angesammelt, viel geschluckt und verinnerlicht, was
uns nicht gut tut oder nicht wirklich zu uns gehört.
Unsere innere Freiheit, miteinander zu wachsen und ein glückliches
Leben zu leben ist oft verschüttet oder noch gar nicht ins Leben
gekommen.
Für die meisten von uns gibt es Vieles, was noch heilen will.
Besonders als Frauen mit Behinderung müssen wir uns oft so sehr mit
äußeren Bedingungen und organisatorischen Notwendigkeiten beschäftigen,
dass unsere tieferen Bedürfnisse regelmäßig zu kurz kommen - wenn wir
überhaupt genügend Raum und genügend liebevolle Begegnungen hatten, um
sie kennen zu lernen.
Manchmal werden wir zu Expertinnen für sichtbare und unsichtbare
Barrieren und zu Verpackungskünstlerinnen für gut gemeinte Kränkungen.
Was
uns anstrengt ist nicht nur unsere jeweilige Beeinträchtigung, nicht
nur geringe Beweglichkeit, Belastungsgrenzen oder Schmerzen. Und nicht
nur die baulichen Barrieren an jeder Ecke könnten uns manchmal
verzweifeln lassen. Genauso zu spüren (es sei denn, wir mussten uns dem
Spüren verschließen) sind oft die als unüberwindbar erlebten Mauern und
Gräben im Kontakt, die scheinbare Selbstverständlichkeit von
Grenzüberschreitungen, die offene oder unterschwellige Botschaft, dass
etwas an uns "mangelhaft" sei und die häufige Erfahrung, allein zu sein
und nicht wirklich verstanden zu werden.
Oft führt
dies dazu, dass wir unsere Behinderung lange ignorieren und nicht
als etwas empfinden können, was zu uns gehört und gehören darf, dass
wir uns stärker anpassen oder abgrenzen als uns gut tut, das wir uns
abhanden kommen.
Aus meiner Sicht ist es nicht erstaunlich, sondern verständlich und Not-wendig, wenn wir uns fragen:
"Wie ist überhaupt meine Grenze, mein Empfinden und Denken, was mein
Bedürfnis, mein Recht, meine Wahrheit - Wo ist der Ort, der
mich willkommen heißt, welcher ist der Weg, auf dem ich richtig
bin? ..." -
Unsere Fragen tragen unsere Antworten in sich, sie sind zugleich Suchen und Finden!
Ich sehe es als ein bedeutsames Wagnis, mir und dem Leben mit meinen Fragen Stück für Stück
näher zu kommen um zu "stehen" wie ich stehe. Ganz im Sein.